Édouard Louis, Wer hat meinen Vater umgebracht

„Meine ganze Kindheit über hoffte ich, Du würdest verschwinden.“ – Der Vater aggressiv, reaktionär bis ins Mark und homophob. Édouard Louis‘ Kindheit und Jugend liest sich nach Traum und Trauma. Ein schwuler Junge vor 15, 20 Jahren in der französischen Provinz träumt Tag und Nacht von der Abwesenheit des Vaters und wird im echten Leben von dessen krasser Wut schwerst traumatisiert.  Als Édouard 2018 mit seinem Text dem schwerkranken Vater gegenübertritt, hat sich die Wut des Autors in Mitgefühl gewandelt. Louis lässt die überwältigenden Gefühle wo sie im Solarplexus sonst brennend zutage treten und wirft die Ratio an. Seines Vaters Ausbrüche sind die logische Konsequenz sozialer Ausgrenzung und stetiger Demütigung. „Wer hat meinen Vater umgebracht“ geht vom noch warmen und doch erschreckend zerrütteten Körper seines Vaters aus. Es ist der Versuch unserem Nachbarland in seiner sozialpolitischen Geschichte, der Brüchigkeit und Sprengkraft der herrschenden Verhältnisse nahezukommen. Theaterstoff! Vor allem für einen hochpolitischen Theatermacher wie Thomas Ostermeier. Auch in der „intimen Liebeserklärung an einen Menschen, der es einem fast unmöglich macht, ihn zu lieben“ rührt Louis Text an unsere Menschlichkeit und den Willen zur Überwindung von Ungerechtigkeit. Aus dem langen Gespräch, einem „Zweiakter“ mit kurzer Pause in den Geistesblüten am 3. Februar 2019 und anknüpfend an die gemeinsame Arbeit an der Adaption seines Romans Im Herzen der Gewalt brachte Édouard Louis, auf der Bühne von Nina Wetzel in der Dramaturgie von Florian Borchmeyer inszeniert von Thomas Ostermeier, erstmals ein von ihm verfasstes Werk selbst als Darsteller auf die Bühne. Die Premiere fand am 9. September 2020 im Théâtre de la Ville Paris statt.
Die erste Stunde des Gesprächs zwischen Édouard Louis und Thomas Ostermeier gibt es jetzt hier in der Geistesblüten App, die zweite „Stunde“ des Abends folgt und wurde eher zur Langen Nacht des autobiografischen Erzählens. Absolut unvergesslich.
Ganz aktuell: „Combats et métamorphoses d’une femme“ oder wie Monique, die Mutter von Édouard Louis ihre Freiheit mit Witz und Verve vorantreibt. Wir sagen schonmal: Bienvenue chez Geistesblüten!

Theaterstück: Qui a tué mon père

Regie: Thomas Ostermeier
Video: Sébastein Dupouey, Marie Sanchez
Bühne: Nina Wetzel
Kostüme: Caroline Tavernier
Musik: Sylvain Jacques
Dramaturgie: Florian Borchmeyer
Produktion/Dramaturgie: Elisa Leroy
Licht: Erich Schneider

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